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Autismus

Autismus ist inzwischen ein vielbesprochenes Thema. Es hat den Anschein, als ob es heutzutage viel mehr autistische Kinder gäbe als früher. Natürlich gab es sie früher auch, aber inzwischen wird dem Autismus und vergleichbaren Abweichungen viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Und glücklicherweise weiß man immer mehr über die unterschiedlichen Störungen im autistischen Spektrum.

Nicht jedes autistische Kind leidet unter den gleichen Störungen. Es kann dann auch nicht die Rede van einer Störung sein, sondern von einem ganzen Spektrum von autistischen Störungen, wobei die Art der Störung und der Ernst der Lage unterschiedlich ausfallen können.

 

WAS IST AUTISMUS?

Autismus ist eine angeborene Störung, die sich durch eine abweichende sozial-emotionale Entwicklung äußert, ebenso wie eine unzulängliche Entwicklung des Sprachvermögens und der kommunikativen Fähigkeiten. Darüber hinaus zeigen autistische Kinder eingeschränkte Verhaltensmuster.

Ein Kind mit Autismus oder einer vergleichbaren Störung erlebt die Welt ganz anders als „normale“ Menschen dies tun. Autismus wird auch als Informationsverarbeitungsstörung bezeichnet. Eindrücke aus der Außenwelt werden bei Menschen mit einer derartigen Störung als lose Informationen wahrgenommen, die wie in einem Puzzle zusammengesetzt werden müssen. Menschen, die nicht an Autismus leiden, können sich nur schwer in diese Situation hineinversetzen. Man kann sie mit einer Emigration in ein fremdes Land vergleichen, in dem eine fremde Sprache gesprochen wird und fremde Gebräuche herrschen.

Autistische Kinder haben Schwierigkeiten mit dem ‚Entziffern‘ der für uns deutlichen Lebensumgebung. Das heißt, dass sie Mühe damit haben, den Dingen ihre Bedeutung zuzuordnen. Sie wissen nicht, was kommen wird oder was von ihnen erwartet wird. Dies führt zu Stress und Angst.

Als Reaktion auf unsere für sie schwer begreifliche Welt ziehen sich autistische Kinder häufig in sich zurück. Auch verleihen sie einer bestimmten Reihenfolge von Ereignissen und bestimmten Handlungen exzessive Bedeutung. Sie versuchen dadurch Ordnung ins Chaos zu bringen.

AUTISMUS FRÜHZEITIG ERKENNEN

Manche Kinder zeigen allerdings nicht alle Symptome von Autismus. In solchen Fällen spricht man von einer autismusähnlichen Störung (ASS). Wegen der schwer zu stellenden Diagnose des Autismus und der autismusähnlichen Störungen finden die meisten Diagnosen erst relativ spät statt. Ein solche Spätdiagnose führt zu einer ständigen Überforderung und noch stärker verlangsamten Entwicklung des Kindes.

Für Sie als Eltern ist es wichtig, die typischen Anzeichen für Autismus frühzeitig zu erkennen. Deshalb haben wir im Folgenden eine kurze Liste mit Anzeichen für Sie aufgestellt. Einige dieser Symptome gehören zugleich zu der normalen Entwicklung des Kindes. Das bedeutet, dass Sie sich nicht direkt Sorgen machen müssen, wenn Sie bei Ihrem Kind einige dieser Symptome feststellen. Diese Symptome allein sind also nicht ausreichend, um die Diagnose ASS zu stellen. Wenn Ihr Kind jedoch die meisten der unten aufgeführten Symptome zeigt, so kann dies eine Indikation für ASS sein.

Bei Kindern von 0 – 2 Jahren:

  • Das Kind lacht seine Eltern nicht an.
  • Das Kind nimmt keinen Blickkontakt auf.
  • Das Kind zeigt keine positive Reaktion, wenn es hochgenommen wird.
  • Das Kind sucht keinen Trost oder keine Zuneigung von anderen.
  • Das Kind zeigt keine negative Reaktion, wenn es von den Eltern getrennt wird.
  • Das Kind winkt seinen Eltern nicht zu; es begrüßt seine Eltern nicht.

Kinder über 2 Jahre:

  • Das Kind spielt nicht gerne mit anderen Kindern.
  • Es beschäftigt sich zwanghaft mit anderen Handlungen und/oder Spielzeug.
  • konstantes Hin- und Herwiegen
  • keine oder stark verzögerte Sprachentwicklung
  • Flattern mit den Händen und/oder Armen
  • Das Kind zeigt kaum Initiative, wenn man Kontakt mit ihm aufnimmt.
  • Das Kind hat Mühe, körperlichen Abstand zu anderen zu halten.
  • Das Kind nimmt alles wörtlich, was es hört.
  • ‚Nachäffen‘. Das Kind wiederholt Wörter und Sätze, die es gehört hat, wörtlich und ohne den Sinn zu begreifen.
  • Das Kind reagiert kaum auf körperlichen Schmerz und zeigt kaum eine Reaktion, wenn man es mit seinem Namen anspricht.
  • Das Kind reagiert überempfindlich auf Geräusche.

Wenn die meisten dieser Symptome auf Ihr Kind zutreffen, empfehlen wir Ihnen, die Situation mit Ihrem Hausarzt zu besprechen.

 

TIPPS FÜR ELTERN VON AUTISTISCHEN KINDERN

Die Erziehung eines autistischen Kindes ist häufig sehr anstrengend. Autistische Kinder geraten oft schon wegen Kleinigkeiten aus der Fassung, über die Sie selbst nie nachgedacht hätten. Auch ist es ein täglicher Kampf, Ihrem Kind (neue) Dinge beizubringen. Manchmal sieht es so aus, als ob Ihr Kind einfach nicht will!

Nichts ist allerdings weniger wahr. Ein autistisches Kind möchte häufig sehr gerne, aber kann es einfach nicht. Es steht sich selbst im Weg – dadurch, dass es sich nicht so lange konzentrieren kann, weil etwas anders ist als normal oder weil etwas neu oder beängstigend ist.

Leider kann ein Kind nicht von seinem Autismus geheilt werden. Aber es kann Fähigkeiten erlernen, durch die es sich in seiner eigenen (sozialen) Umgebung zurechtfinden kann. Hierzu können Sie als Eltern einen großen Beitrag liefern. Deshalb führen wir im Folgenden einige Tipps auf, die den täglichen Umgang mit einem Kind mit einer autistischen Störung vereinfachen können.

PRAKTISCHE TIPPS

Ganz allgemein gesprochen ist es wichtig, autistischen Kindern dabei zu helfen, ihre Umgebung zu verstehen. Sie erleben die Welt anders als „normale“ Menschen. Deshalb muss dem Kind beigebracht werden, wie alles in seiner Umgebung funktioniert. Sie können versuchen, Ihrem Kind so viel Klarheit wie möglich zu bieten, indem Sie sich an folgende Tipps halten:

  • Sprechen Sie in einer deutlichen Sprache, z. B., indem Sie Wörter wie ‚vielleicht‘ vermeiden.
  • Konkrete Vereinbarungen. Wenn Ihr Kind die Uhr noch nicht lesen kann, können Sie eine Sanduhr benutzen, um festzulegen, wie lange es sich mit einer bestimmten Sache beschäftigen darf.
  • Vermeiden Sie plötzliche Veränderungen. Diese können für Ihr Kind stressig sein. Selbst gut gemeinte Überraschungen können von Ihrem Kind als belastend erfahren werden.
  • Arbeiten Sie mit Piktogrammen oder Fotos (s. den nächsten Abschnitt).

PIKTOGRAMME ODER FOTOS

Autistischen Kindern fällt es leichter, über Sehen als über Hören zu lernen. Erklärungen mit Hilfe von Zeichnungen oder Fotos sind für sie daher am deutlichsten.

Sie können Ihr Kind darauf vorbereiten, was es im Laufe des Tages unternehmen wird, indem Sie mit Piktogrammen arbeiten. Ein Tagesprogramm mit derartigen Piktogrammen verleiht dem Tag Struktur und gibt Sicherheit. Das bedeutet nicht, dass Sie nicht von einem solchen Programm abweichen dürfen – ein Piktogramm für ‚besondere Aktivitäten‘ bietet hier eine Lösung. So kann z. B. eine Zeichnung von einem Baum bedeuten, dass Sie mit Ihrem Kind in den Park gehen. Oder Sie können Ihrem Kind klarmachen, dass es seine Jacke an der Garderobe aufhängen muss, indem Sie eine Foto von der Jacke Ihres Kindes über die Garderobe hängen.

Hat Ihr Kind Schwierigkeiten damit, Entscheidungen zu treffen, sollten Sie es unter einigen Aktivitäten wählen lassen, die Sie Ihrem Kind anbieten (zum Beispiel: ein Bild von einer Puppe und ein Bild von einem Ball). Bei kleinen Kindern können Sie auch mit Teilen von Gegenständen arbeiten: Wenn Sie Ihrem Kind ein Stoffstück von einem Badeanzug zum Befühlen geben, kann dies bedeuten, dass Sie zusammen schwimmen gehen.

Wenn Sie Schritt für Schritt Fotos von einem bestimmten Handlungsvorgang machen (z. B. Zähne putzen, auf die Toilette gehen), kann das Kind sich diesen zu eigen machen. Auch wenn Sie ihm wörtlich jeden Schritt vormachen, können Sie Ihrem Kind damit helfen, zu verstehen, was von ihm erwartet wird.

MIT DEN ÄNGSTEN IHRES KINDES UMGEHEN

Wenn Sie sich jeden Tag aufs Neue damit auseinandersetzen müssen, dass Ihr Kind auf eine bestimmte Situation verstimmt reagiert, kann es hilfreich sein, wenn Sie deutliche Zeichen setzen. Wenn Ihr Kind zum Beispiel nicht gerne badet, können Sie ihm mit Hilfe eines bestimmten Zeichens klar machen, wann es Zeit zum Baden ist. Sie können hierzu eine Badeente als Zeichen benutzen oder ein Foto von der Badewanne in das Tagesprogramm integrieren. Verdeutlichen Sie Ihrem Kind mit Hilfe des Tagesprogramms, dass es danach eine ’schöne‘ Aktivität erwartet.

Versuchen Sie auch herauszufinden, wovor Ihr Kind sich fürchtet. Hat es Angst davor, so wie das Wasser in den Abfluss gesogen zu werden oder Shampoo in die Augen zu bekommen, oder mag es kein Wasser? Sobald die Ursache der Angst klar ist, können Sie etwas gegen die Angst unternehmen. Zum Beispiel, indem Sie Ihrem Kind erklären, dass Gegenstände nicht durch den Abfluss passen, dass es kein Shampoo in die Augen bekommt, wenn es sich einen Waschhandschuh vor die Augen hält, oder wenn Sie Ihrem Kind zeigen, wie man mit Wasser spielen kann, sodass es positive Erfahrungen mit Wasser machen kann.

GEBEN SIE ZU, DASS ES MANCHMAL SCHWIERIG IST

Es ist natürlich sehr wichtig, dass Sie sich als Eltern nicht von den Schwierigkeiten, die die Erziehung Ihres Kindes mit sich bringt, überwältigen lassen. Versuchen Sie, mit Ihrem Partner bzw. Ihrer Familie/Ihren Freunden hierüber zu sprechen, und reden Sie auch darüber, wenn es Ihnen zu viel wird. Sie brauchen sich hierfür nicht zu schämen. Es kommt häufig vor, dass Eltern von autistischen Kindern merken, dass sie es mit der Erziehung ihres Kindes schwer haben. Die meisten kämpfen deshalb mit Schuldgefühlen. Es ist jedoch ganz normal, diese Gefühle zu haben, und diese Gefühle sagen nichts über die Qualität der Elternschaft. Allerdings müssen Sie darauf achten, dass diese Gefühle nicht die Überhand bekommen. Schlagen Sie rechtzeitig Alarm.

Andrea Maessen, Pädagogin